Seiten

Montag, 10. Dezember 2012

Gedicht der Woche: Sapphos "Ode an eine Geliebte"

Ode an eine Geliebte

Der ist den Göttern gleich zu schätzen,
Der sich dir gegen über setzen,
Und deine Stimme hören kan:
Er sieht dich mit Vergnügen an,
Und wenn dein Mund liebkosend lacht,
So wird er ausser sich gebracht.
Kaum seh' ich dieß, so muß ich fühlen.
Wie Gluth und Brand in Adern wühlen;
Die Zunge starrt, und kan nicht fort;
Im Munde stockt so gar das Wort;
Den starren Augen fehlt das Licht;
Es saust das Ohr, und hört doch nicht.
Ein Schauer fährt durch alle Glieder;
Mein Leib erzittert und sinkt nieder;
Mein Mund verwelkt, der Athem fehlt;
Es scheint, als wäre ich schon entseelt.
Doch, wer nicht hat, wagt auch das letzte.

Ode to a loved one

I deem that man divinely blest
Who sits, and, gazing on thy face,
Hears thee discourse with eloquent lips,
And marks thy lovely smile.

This, this it is that made my heart
So wildly flutter in my breast;
Whene’er I look on thee, my voice
Falters, and faints, and fails;

My tongue’s benumbed; a subtle fire
Through all my body inly steals;
Mine eyes in darkness reel and swim;
Strange murmurs drown my ears;

With dewy damps my limbs are chilled;
An icy shiver shakes my frame;
Paler than ashes grows my cheek;
And Death seems nigh at hand.”

(http://www.earlywomenmasters.net/essays/authors/higginson/twh_sappho7.html)

Sappho

(In Dionysius Longinus: Vom Erhabenen (Peri hypsous; De sublimitate; On the Sublime), 1784, S. 24); weitere deutsche Übersetzungen siehe http://www.deutsche-liebeslyrik.de/dichterinnen/dichterinnen_auslandische_sappho.htm und Critische Dichtkunst Worinnen die Poetische Mahlerey[sic!] in Absicht auf die Erfindung Im Grunde untersuchtet und mit Beyspielen aus den berühmtesten Alten und Neuern erläutert wird, 1740, S. 424, eine weitere englische siehe http://www.gutenberg.org/files/17957/17957-h/17957-h.htm)

(Mehr dazu siehe G. Schipper-Hönicke: Im klaren Rausch der Sinne, 2003, S.  198f.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen